Soziologie behandelt gesellschaftliche Arbeit normalerweise in der Perspektive der Bedingungen ihrer Möglichkeit. Diese Perspektive hat eine Kehrseite, die oft vernachlässigt wird: Nicht die „Normalität“ des Funktionierens von Arbeit ist das Normale, sondern ihr Nicht-Gelingen, die Abweichung, der Fehler, der Irrtum, der Unfall, die Störung, gegen die das Funktionieren immer erst hergestellt und gesichert werden muß. Im Mittelpunkt steht der Gedanke, daß es in gesellschaftlicher Arbeit (in der Auseinandersetzung mit Natur und Gesellschaft) um materielle und immaterielle Ordnungsbildungen geht, in denen Heterogenes zusammengefügt, und eben dadurch eine Bedrohung dieser Ordnungen in ihre Bildung selbst eingebaut wird: sei es vom Rande her, von dem, was außerhalb bleibt; sei es innerhalb der Ordnungen, an den Anschlußstellen von Handlungsketten und Wechselwirkungen, an den Fugen des Zusammengesetzten, die unterschiedliche Kräfte, Bewegungsformen und Funktionslogiken vermitteln. An den Schnittstellen und in den Mischungszonen der Stoff-, Produkt- und Tätigkeitsgefüge nistet die Reibung, die Ablenkung, die Interferenz, die Instabilität – latente Kritik der jeweiligen Ordnungen, die manifest wird, wenn Spannungen zerreißen, Widerstände zusammenbrechen, Interaktionen kollidieren. Fehler und Störungen bergen produktive Potentiale, und sie zwingen zu Abwehr- und Ausgleichsmaßnahmen, die ihrerseits versagen können.- Sind Fehler und Störungen bekannt, kann man auf sie vorbereiten und auf fertige Handlungsmuster zurückgreifen; sind sie nicht bekannt und brechen sie plötzlich auf, muß spontan gehandelt werden können, um in einer neuartigen Situation durch möglichst sinnvolle Umbauten ihres Bedingungsgefüges eine wenigstens vorläufige Lösung zu finden. Improvisierendes Handeln wird freilich im Arbeitsalltag ambivalent erfahren und praktiziert: Es wird trotz aller Unvermeidlichkeit als Phase der Unsicherheit und des Kontrollverlusts erlebt, die man so schnell wie möglich hinter sich zu bringen hat. Dem steht ein enormer Erfahrungsreichtum an künstlerischer Improvisation (Musik, Malerei, Tanz, Theater) gegenüber, der für das Verständnis und die Praxis improvisierenden Handelns im Arbeitsalltag fruchtbar gemacht werden kann.- Obwohl die Thematik mich schon länger beschäftigt, und ich einige Arbeiten dazu veröffentlicht habe, steht die monographische Synthese noch aus. Zwei umfangreiche, bislang unpublizierte Manuskripte bilden dafür die Grundlage.