Seit sich theoria als Anschauen des Kosmos, der schönen Ordnung, um das Maß dieser Ordnung in sich nachzubilden, zu einem eigenen Lebensentwurf verselbständigt hat, droht auch dessen Scheitern: an der Alltagspraxis, an sich selbst. Der Wanderer auf den Höhen der Ideen riskiert Versteigungen und Abstürze. Das hat seit je die Satire beflügelt, von Varro („Und schließlich träumt kein Kranker je so tolles Zeug,/daß nicht gelehrt es hätte schon – ein Philosoph.“) bis Fritz Heidegger („Den Martin hot me für nix Gscheits brauche kenne, no isch er halt Philosoph worre.“) “O, es ist etwas Herrliches um die Wissenschaften!” schwärmt Hoffmanns Kater Murr, während sein Freund, der Pudel Ponto, abrät: damit könne man sich nur den Magen ruinieren. Musil hätte beiden zugestimmt: Wissen ist eine Leidenschaft, läßt er Ulrich sagen. “Im Grunde ein unerlaubtes Verhalten; denn wie die Trunksucht, die Geschlechtssucht und die Gewaltsucht, so bildet auch der Zwang, wissen zu müssen, einen Charakter aus, der nicht im Gleichgewicht ist.”- Satire läßt sich mit Hegel als „Kunstform“ bestimmen, in der der hervorbrechende Gegensatz „der endlichen Subjektivität und der entarteten Äußerlichkeit“ Gestalt annimmt. „Poetischer kann diese an sich selbst prosaische Kunstform nur werden, insofern sie uns die verderbte Gestalt der Wirklichkeit so vor Augen bringt, daß dieses Verderben durch seine eigene Torheit in sich zusammenfällt.“ Hegels resigniertem Seufzer: „Heutigentags wollen keine Satiren mehr gelingen“ – kann freilich nicht zugestimmt werden. Vor allem in den Hochschulen, im wissenschaftlichen Leben wird für die Satire Erstaunliches geleistet; das besorgen Professoren und administratives Personal, allein indem sie ihren normalen Tätigkeiten nachgehen, weitgehend selbst. Obwohl Adorno gelegentlich vor “Juvenals Irrtum” gewarnt hat – es ist schwer, keine Satire zu schreiben.- Meine Sammlung zeitgenössischer Wissenschaftssatiren von 1998 ist seit langem vergriffen und verdient eine revidierte und erweiterte Neuauflage.