Korruption ist überall und allgegenwärtig, nicht an eine bestimmte Gesellschafts- oder Herrschaftsform gebunden, überaus variantenreich in ihren Erscheinungsformen, politisch-rechtlichen Sanktionierungen und begrifflichen Bestimmungen. In der Begriffsentwicklung von Korruption verschiebt sich die Bedeutung von einer verallgemeinerten Auffassung eines Gemeinwesens als moralisch zerrüttet zu spezifizierten Bestimmungen, etwa als Bestechung und verwandte Formen der Einflussnahme. Die Geschichte der Spezifizierung des Korruptionsbegriffs ist nicht unbedingt ein Prozeß wachsender Vereindeutigung, weil jede Präzisierung des Tatbestands noch stets zu seiner Umformung in Gestalt von Grenzüberschreitungen, Umgehungsmöglichkeiten, erweiterten oder neuen Grauzonen geführt hat.- Zur Erklärung von Korruption verfolge ich einen Ansatz ver-rückter Gemeinschaftlichkeit: Ausgegangen wird von einem Verständnis der Gesellschaftsgeschichte als Differenzierung von Gemeinschaft und Gesellschaft. Die Verschiebungen der Funktionen und Gewichte im Verhältnis beider sind immer wieder mit wechselseitigen Übergriffen aufeinander verbunden, die Interferenzeffekte mit prekären, zersetzenden Folgen für beide erzeugen. Zu diesen Folgen gehört Korruption: Gesellschaftlich zu regulierendes Handeln (etwa ein formal-rechtliches Gerichtsverfahren zur Lösung eines Konflikts oder die Orientierung an Qualifikationsanforderungen bei einer Stellenbesetzung) wird aufgrund eines Ungenügens daran (etwa weil die gesellschaftlichen Institutionen schwach entwickelt sind oder weil sie als formal-abstrakte personen- und situationsspezifische Erwartungen durchkreuzen) auf den operativen Spielraum von Gemeinschaft und ihre Regeln zurückgebogen (etwa Familien- und Freundschaftsbindungen, Gaben und reziproke Verpflichtungen, Treue und Dankbarkeit etc.) Nicht der informelle Spielraum gegenüber formaler Rigidität ist das Problem, sondern die Dominanz  gemeinschaftlich orientierten Handelns, das gesellschaftliche Regulationen überformt oder gar ersetzt. Solche Ver-rückungen können überdies durch informelle Formalisierungen (Schließung, Geheimhaltung, racheförmige Sanktionen etc.) geschützt und durch Gruppenbildungen (Quasi-Familien, netzförmige Koalitionen, Kartelle etc.) stabilisiert werden.- Zu diesem Thema gibt es reichhaltige theoretische und empirische Materialien, die der Ausarbeitung bedürfen.